Bündnis 90/ die Grünen

Was genau ist eigentlich Bündnis 90/Die Grünen? Wo kommen sie her? Wo wollen sie hin? Und warum ist der Name eigentlich so kompliziert, wenn am Ende doch alle nur „die Grünen“ sagen? Auf diese und weitere Fragen findet ihr Antworten in diesem Text!

Basics / Partei-Steckbriefe

von Jakob N am 17. Mai 2022

Was ist Bünd­nis 90/Die Grü­nen?

Besonders ein Themenbereich zeichnet Bündnis 90/Die Grünen (oder auch einfach nur die Grünen) aus: Klima- und Umweltpolitik. Schon lange bevor durch die Folgen des Klimawandels alle Parteien anfingen, Stellung zur Klimapolitik zu beziehen, waren die Grünen das Sprachrohr für Umweltschutz und Ökologie in der deutschen Politik.

Aber auch heute noch liegt der Schwerpunkt der Grünen beim Thema Nachhaltigkeit. Die Grünen sehen den Klimawandel als größtes Problem unserer Zeit an und treten deshalb für eine Politik ein, die Wirtschaftsinteressen nicht über die Umwelt und das Klima stellt. Ihr wichtigstes Ziel ist es, dem Klimawandel entgegenzuwirken, sodass auch zukünftige Generationen ein gutes Leben führen können.

Unter anderem wegen ihrem Fokus auf Klimaschutz wurden die Grünen in den letzten Jahren immer beliebter. Bei der letzten Bundestagswahl konnten sie ihr bisher bestes Wahlergebnis erreichen und bilden inzwischen mit der SPD und der FDP die Regierung.

Aber die Grünen setzten auch bei anderen Themen Schwerpunkte. In ihrem aktuellen Grundsatzprogramm von 2020 (https://www.gruene.de/grundsatzprogrammprozess) stehen neben Ökologie auch Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden als Bereiche, auf die sich die Grünen konzentrieren wollen.

Die Grünen lassen sich nicht wirklich einfach in ein Links-Rechts-Schema der Parteienlandschaft einordnen. Wurden sie zu ihrer Gründung noch als linke, rebellische Partei angesehen, übernahm immer mehr der „realpolitische“, also gemäßigtere Flügel der Grünen (Realos) die Führung.

Inzwischen gelten die Realos und der linke „fundamentalistische“ Flügel (Fundis) als relativ gleich stark, was zu einigen Konflikten in der Partei führt. Nicht immer sind sich die Grünen direkt einig, ob sie bei einem Thema eher konservativer oder progressiver (was meistens der Fall ist) sind.

Das macht es so schwer, sie einzuordnen. Mal sind sie eher links und treten für soziale Umverteilung ein, mal verstehen sie sich als Partei der Mitte und wollen es allen recht machen, und teilweise wird ihnen auch vorgeworfen Menschen mit wenig Einkommen zu vergessen und so vor allem Politik für die gutverdienende Mittelschicht zu machen.

Die Grünen möchten möglichst schnell aus der Kohle aussteigen, Quelle: flickr/Uwe Hiksch

Was wol­len die Grü­nen?

(Quellen: Offizielle Website der Grünen – Themen von A bis Z; Deutschlandfunk – Was im Wahlprogramm der Grünen steht)

Da die Grünen einige Kompromisse im Koalitionsvertrag mit SPD und FDP eingehen mussten, sollen an dieser Stelle lediglich die Ziele der Partei abseits der Ampelkoalition vorgestellt werden. In den Gesprächen zur Regierungsbildung konnten sich die Grünen nämlich in ihrem Schwerpunktthema nur teilweise durchsetzen. Während sie zum Beispiel eigentlich einen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 fordern, sieht der Koalitionsvertrag einen Kohleausstieg „idealerweise“ bis 2030 vor.

Die Grünen möchten Deutschland in den nächsten 20 Jahren klimaneutral machen. Um das zu erreichen, sollen die erneuerbaren Energien stark ausgebaut werden.

2% der Landfläche soll für Windkraftanlagen genutzt werden, es sollen Solarparks neben Bahnstrecken und Autobahnen gebaut und Solardächer sollen gefördert werden.

Ab 2030 soll es nur noch Neuzulassungen für Autos, die kein CO2 ausstoßen, geben und die öffentlichen Verkehrsmittel sollen so gut ausgebaut sein, dass Kurzstreckenflüge gar nicht mehr nötig sind.

Außerdem setzt die Partei auf einen CO2-Preis, um Emissionen zu reduzieren. Dabei ist den Grünen aber wichtig, auch Menschen mit geringen Einkommen nicht zu belasten. Deswegen möchten sie ein Energiegeld einführen, also die Einnahmen, die durch den CO2-Preis zustande kommen, der Bevölkerung wieder zurückgeben.

Wenn wir schon dabei sind: In der Sozialpolitik möchten die Grünen Menschen mit weniger Einkommen helfen, indem sie zum Beispiel das umstrittene Hartz-IV-System abschaffen und durch eine neue Arbeitslosensicherung ersetzen. Dafür sollen Vielverdienende mehr Steuern zahlen.

Auch die Wirtschaftspolitik ist natürlich vom Klimaschutz betroffen. Die Wirtschaft soll in der Vorstellung der Grünen in den nächsten Jahren viel digitaler und klimafreundlicher werden.

Neben dem Klimaschutz ist ein weiteres, extrem wichtiges Thema für die Grünen Gleichberechtigung und Diversität. Deshalb setzen sie sich für Feminismus, LGBTQAI+-Rechte, Inklusion und gegen Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus ein.

Dabei vertreten sie oft einen sehr liberalen Kurs und setzen sich für die Gleichberechtigung von Minderheiten ein.

Bei der Bildungspolitik heißt das Schlüsselwort für die Grünen „Bildungsgerechtigkeit“: Alle Menschen sollen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sozialer Schicht und vielen anderen Faktoren eine gleich gute Bildung ermöglicht bekommen.

Dafür möchten sie ein Recht für Ganztagsbetreuung, mehr Digitalisierung an Schulen und eine Ausbildungsgarantie durchsetzen (alle sollen eine Ausbildung bekommen können).

Außerdem wollen sie die finanzielle Unterstützung für Studis und Azubis – das BAföG – komplett erneuern und zu einer Grundsicherung machen.

Auch mit der Forderung nach einem Wahlrecht ab 16 setzen sich die Grünen für junge Menschen ein.

Bislang stand grüne Außenpolitik immer für Pazifismus und Abrüstung. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stellt die Partei aber vor neue Herausforderungen. Sie müssen ihre Werte Haltung, die Krieg und Waffenhandel grundsätzlich abzulehnen, mit der realen Situation vereinbaren. Deshalb setzen sich auch viele grüne Politiker*innen für Waffenlieferungen an die Ukraine ein.

Für die Grünen ist klar: Atomkraft? Nein Danke!, Quelle: flickr/Oliver Schoepgens

Wo­her kom­men die Grü­nen?

In ihren Anfangsjahren galten die Grünen als Protestpartei und wurden von den etablierten Parteien nicht nur wegen Hippie-Frisuren oder Turnschuhen im Bundestag komisch angekuckt. Wenn man sich heute die Grünen anschaut, sieht man da ein ganz anderes Bild. Wie und warum haben sich die Grünen so stark verändert? Beginnen wir am Anfang:

1979-1985: Let’s get this party started

Ihren Ursprung haben die Grünen zum einen in den „Neuen Sozialen Bewegungen“, einer Reihe an vielen verschiedenen Bewegungen, zum Beispiel der Anti-Atomkraft-, Friedens- oder Frauenbewegung. Diese entstanden in den 1970er-Jahren, als sich viele Menschen zusammenschlossen, um gehört zu werden und zu protestieren.

Zum anderen sind die Grünen auch aus der Studentenbewegung der späten 60er-Jahre entstanden, die sich gegen die etablierte Politik und das politische System richtete.

1979 vor der Europawahl schlossen sich Menschen aus den Neuen Sozialen Bewegungen und der Studentenbewegung zusammen und gründeten das Wahlbündnis „Sonstige Politische Vereinigung DIE GRÜNEN“. 1980 entstand dann daraus offiziell die Partei Die Grünen.

Weil sie aus so vielen verschiedenen Bewegungen und Strömungen bestand, waren die Grünen am Anfang sehr durchmischt aus allen politischen Lagern. Von Konservativen bis hin zu Linksradikalen gab es alles in der Partei.

Einig waren sich aber alle, dass sie gegen das aktuelle, etablierte Parteiensystem waren. Deswegen waren sie auch ganz anders organisiert als die anderen Parteien. Es gab zum Beispiel anfangs ein Rotationsprinzip, das heißt: alle Amtszeiten waren auf 2 Jahre begrenzt, auch die von Abgeordneten. Weil dies mit dem parlamentarischen System nicht wirklich gut funktionierte, wurde mit der Zeit die Organisation der Grünen immer ähnlicher zu der der anderen Parteien.

Aber trotz der gemeinsamen Abneigung zum „normalen“ Parteiensystem konnte die große Mischung und Uneinigkeit in der Partei natürlich nicht lange gut gehen.

Zuerst ging der konservative Teil, später verließen die Linksradikalen die Partei. Zweitere gingen, weil sie 1985, als die Grünen in Hessen mit der SPD koalierten, den Streit verloren, ob sich die Grünen auf Koalitionen mit den anderen Parteien einlassen sollten.

1983-1998: Fundis vs Realos

Trotz diesen inneren Machtkämpfen konnten die Grünen schnell Erfolge feiern. Schon 1983 schafften sie den Einzug in den Bundestag und in den 80er-Jahren wurden sie in viele Landtage gewählt.

1990, nach dem Mauerfall, schlossen sie sich dann mit der DDR-Bürgerrechtsbewegung Bündnis 90 zusammen. Daher kommt der lange, offizielle Name der Partei: Bündnis 90/Die Grünen. Meistens wird trotzdem auch heute noch die kürzere Form „die Grünen“ verwendet.

Anfangs war es schwierig für die beiden neuen Parteiteile zusammenzuwachsen. Dies liegt am ewigen Kampf innerhalb der Partei zwischen „Fundis“ und Realos“.

Sollten die Grünen jetzt vor allem an ihren Werten festhalten und nach Prinzipien handeln oder nur fordern, was auch realistisch ist? Auch heute ist diese Frage für die Grünen nicht immer klar. Den Konflikt zwischen Fundis und Realos gibt es immer noch, wenn auch abgeschwächt.

In den 90ern übernahmen aber immer mehr die Realos die Führung, was die Grünen gemäßigter machte und ihnen so wieder Stimmenzuwachs brachte.

1998 war es dann so weit: Die 16 Jahre lange Kohl-Ära, in der unter Kanzler Helmut Kohl die CDU und die FDP regierten, war vorbei. Die SPD unter Gerhard Schröder gewann die Wahl und holte sich die Grünen als Koalitionspartnerin mit ins Boot.

Joschka Fischer, früher berüchtigt wegen seiner Turnschuhe – auch er zeigte, dass die Partei seriöser und gemäßigter wurde, Quelle: flickr/Edward

1998-2005: Regierung 1.0

Die Koalition war aber nicht immer nur einfach für die Grünen. In der Regierungszeit begannen der Kosovo- und der Afghanistankrieg.

Die Grünen mussten wieder mit ihren Werten ringen, da sie eigentlich eine grundlegend pazifistische Partei sind. Trotzdem stimmten sie letzten Endes Bundeswehreinsätzen in den beiden umkämpften Ländern zu. Hier zeigte sich, dass die Realos endgültig die Zügel in der Hand hielten.

Neben den Bundeswehreinsätzen geriet die Regierung in der zweiten Legislaturperiode vor allem wegen der Hartz-IV-Reformen in die Kritik. Kanzler Gerhard Schröder wollte Neuwahlen provozieren, indem er die Vertrauensfrage stellte. In Deutschland kann der Kanzler dem Parlament die Vertrauensfrage stellen, um sicher zu gehen, dass er noch die Mehrheit des Parlaments hinter sich hat, wenn das nicht der Fall ist, gibt es Neuwahlen.

Schröder wusste, dass er die Vertrauensfrage verlieren würde und wollte deshalb Neuwahlen herbeiführen, um aus diesen gestärkt hervorzugehen.

So richtig gut klappte das aber nicht, die CDU gewann die Wahl. Das bedeutete auch für die Grünen wieder den Gang in die Opposition.

2005-Heute: auf Erfolg folgt Erfolg

In den darauffolgenden Jahren konnten die Grünen zwar auf Bundesebene nicht wirklich punkten, dafür in den Ländern umso mehr.

Vor allem durch ihre immer stärkere Öffnung hin zu anderen Parteien als nur der SPD führte zu immer mehr Koalitionen in Landesregierungen, an denen die Grünen beteiligt waren.

2011 folgte dann ein großer Meilenstein: Winfried Kretschmann wurde in Baden-Württemberg zum ersten grünen Ministerpräsidenten gewählt.

Bei der Bundestagswahl 2017 gab es dann wieder die Möglichkeit, dass die Grünen mit in die Regierung kommen könnten. Allerdings ließ die FDP die Koalitionsgespräche mit CDU und Grünen platzen, also doch keine Regierungsbeteiligung für die Partei.

Weil die Partei aber immer noch relativ schwach im Bund war, musste einiges anders werden. Einige Politiker*innen der alten Parteiführung zogen sich zurück und machten Platz für neue; Annalena Baerbock und Robert Habeck, die als Führungsduo versuchten, die Grünen zu einen und den Konflikt zwischen Fundis und Realos zu besänftigen.

Die Grünen profitierten tatsächlich von diesem Führungswechsel. Die Umfragewerte stiegen immer weiter, teilweise kratzten die Grünen an den 30%.

Das lag aber neben der neuen Führung auch an dem zunehmenden Unmut über die GroKo-Regierung aus CDU und SPD und das durch Fridays For Future immer öfter diskutierte Thema Klimaschutz.

Für die 30% reichte es am Wahltag zwar dann doch nicht, aber mit 14,8% holten die Grünen bei der Bundestagswahl 2021 trotzdem ihr bisher bestes Ergebnis. Seitdem sitzen sie wieder in der Regierung, zusammen mit SPD und FDP und konnten sich wichtige Ministerien wie zum Beispiel Außen und Wirtschaft sichern.

Annalena Baerbock und Robert Habeck: Mit ihnen an der Parteispitze stiegen die Umfragewerte schnell, Quelle: flickr/Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen

Wo­für wur­den die Grü­nen in den letz­ten Jah­ren kri­ti­siert?

Zu radikaler Klimaschutz?

Die Grünen stehen vor allem deswegen oft in der Kritik, weil sie mit Forderungen nach mehr Klimaschutz nicht immer nur auf Zuneigung stoßen. Zum Beispiel wird die Forderung nach einem Tempolimit ab 130 km/h auf Autobahnen von einigen sehr lautstark abgelehnt.

Oft prallen Ideen für mehr Klimaschutz mit Interessen der Wirtschaft oder der Gesellschaft aufeinander und treffen so auf Widerstand.

Zudem gibt es auch oft Versuche, die Grünen schlecht zu reden. So wurde zum Beispiel eine Aussage des ehemaligen Fraktionschefs Anton Hofreiter während des Wahlkampfs 2021 aus dem Kontext gerissen, um zu behaupten, die Grünen würden Menschen in Einfamilienhäusern enteignen wollen, was nicht der Wahrheit entspricht.

Zu wenig radikaler Klimaschutz?

Teilweise werden die Grünen aber auch von der anderen Seite nicht nur unterstützt. So kritisieren Umweltschutzverbände oder Fridays for Future, dass die Forderungen der Grünen nicht weit genug gehen, um das 1,5-Grad-Ziel einhalten zu können.

Realos oder Fundis?

Den Grünen schadet auch, dass sie durch die Meinungsunterschiede zwischen Realos und Fundis nicht immer schnell genug zu einer gemeinsamen und einheitlichen Strategie finden. Deshalb ist auch ihr Standpunkt zu Themen abseits des Klimaschutz nicht immer eindeutig.

Skandälchen

Neben diesen Problemen, die die ganze Partei betreffen, gibt es wie auch bei anderen Parteien immer wieder Kontroversen um einzelne Politiker*innen, z.B. Vorwürfe gegen Annalena Baerbock, ihr Buch teilweise aus ihren Quellen abgeschrieben zu haben, oder im April 2022 der Rücktritt der Bundesfamilienministerin Anne Spiegel, weil sie während der Flutkatastrophe im Ahrtal damals als zuständige Umweltministerin von Rheinland-Pfalz in den Urlaub ging.

Was hal­ten die Grü­nen von den an­de­ren Par­tei­en?

Durch ihre Politik, die je nach Bereich mal progressiver und mal konservativer ist, haben die Grünen Schnittpunkte mit fast allen Parteien.

Deshalb haben sie auch immer eine sehr entscheidende Position, weil sie oft für Koalitionen gebraucht werden.

Aus diesem Grund sind die Grünen in 10 von 16 Landesregierungen und in der Bundesregierung vertreten. Dort koalieren sie überall mit unterschiedlichen Parteien.

Mal mit der CDU, mal mit der SPD, mal mit CDU und FDP, mal mit CDU und SPD und mal mit SPD und Linken.

Diese Fähigkeit zur Anpassung zeigt, dass die Grünen eigentlich mit allen Parteien ganz gute Beziehungen haben.

Mit allen außer der AfD natürlich. So wie fast alle anderen Parteien distanzieren sich die Grünen klar von der AfD.

Das liegt nicht nur daran, dass die AfD ziemlich rechts ist, sondern auch, weil die AfD leugnet, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Das widerspricht der Position der Grünen natürlich komplett.

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