Dein Einsatz für die Gesellschaft!-Nee oder?

Der verpflichtende Sozialdienst! Ein Fluch oder ein Segen für die Jugend in Deutschland? Gibst du deine Freiheit nach dem Abschluss auf, um dich für die Gesellschaft einzusetzen? Ein Kommentar von Laura S

Gesellschaft / Probleme & Lösungen

von Laura S am 27. Juni 2022

„Gib deiner Gesellschaft doch etwas zurück mein Kind!“ – Symbolbild von Laura S

„Unsere Gesellschaft braucht dich! Wieso engagierst du dich so wenig? Ein Pflichtdienst nach deinem Schulabschluss könnte dir helfen und würde dich leiten!“

All diese Vorwürfe müssen sich viele Jugendliche aus ihren Bekanntenkreisen anhören.

Die Debatte rund um das Thema des verpflichtenden Sozialdienstes sorgt auch diesen Monat wieder für große Aufregung in Deutschland. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier äußerte sich erst kürzlich zu diesem Thema und befürwortete einen solchen Dienst.

Für viele Jugendliche war diese Aussage ein Angriff auf ihre Freiheit, andere wiederum sehen in dieser Zeit eine Chance und die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, für die sie sonst den Mut nicht geschöpft hätten. Doch sollten Jugendliche sich wirklich vorschreiben lassen, wie sie ihre Zeit und ihr Leben nach dem Abschluss gestalten sollen?

Nach zwei Jahren Corona Pandemie fällt es vielen jungen Menschen nicht leicht, die Vorstellung eines Pflichtjahres für die Gesellschaft zu akzeptieren. Die beiden Jahre der Pandemie waren und sind teilweise noch immer geprägt von Regeln und Vorschriften, die das Leben der Jugendlichen beeinträchtigt haben. Die Freiheit, das zu tun, wonach man sich sehnt oder worauf man Lust hat, ist gerade durch diese Zeit geschwunden.

Nicht alle Schüler*innen haben nach dem Abschluss eine genaue Vorstellung, was sie lernen oder studieren wollen. Doch es gibt sie! Nach Informationen der deutschen Handwerkszeitung wissen rund ein Drittel aller Jugendlichen, was sie nach ihrem Abschluss erlernen möchten. Das Pflichtjahr wäre dementsprechend eine Hürde in ihrer Planung. Es ist selbstverständlich, dass sich gerade diejenigen, die sich in ihrer Berufs- bzw. Studienwahl sicher sind, somit indirekt bestraft fühlen und gegen dieses Vorhaben wehren.

Es ist bekannt, dass man Ziele nicht durch Vorschriften erreicht, sondern indem man die Attraktivität dieser fördert. Und so sprechen sich auch Wohlfahrtsverbände gegen dieses verpflichtende Jahr aus und fordern stattdessen, Freiwilligendienste zu unterstützen.

Wer denkt, dass ein verpflichtendes Sozialjahr kein Geld kostet, der irrt sich. So müssen laut Süddeutscher Zeitung rund 15.000 Euro pro jungem Erwachsenen in einem Jahr an Lohnkosten ausgegeben werden, wenn man das Pflichtjahr mit den Ausgaben der Wehr- oder Zivildienstleistenden vergleicht. Es entstünden also Milliardenbeiträge, die bezahlt werden müssten. Auch dies ist eine unwahrscheinlich große Hürde, die dem Ganzen im Weg steht.

Nicht nur seitens des Staates ist das Thema der Finanzierung schwierig zu bewältigen, auch für junge Menschen ist dieser Aspekt eher ein Argument, das sie von einem sozialen Dienst distanziert. Selbst das freiwillige soziale Jahr ist aktuell nur eine Möglichkeit für diejenigen, die es sich leisten können.

Doch das Pflichtjahr kann auch anders betrachtet werden.

Bleiben wir bei dem Aspekt der Finanzierung. Ist es das Geld nicht wert, um Jugendliche zu fördern und ihnen Möglichkeiten zu geben, die ihnen ohne das Pflichtjahr nicht gegeben wären? Es wird immer gefordert, Geld in die Zukunft des Landes zu investieren, das wäre an dieser Stelle auch ein erster Ansatz. Auch durch höheren Lohn könne man den Pflichtdienst attraktiver gestalten.

Gerade wenn man auf die oben bereits erwähnten 2/3 aller Absolvent*innen eingeht, bestünde die Möglichkeit, ihnen bei ihrer Selbstfindung zu helfen. Es fehlt nicht immer nur an Informationen zu den vielen Möglichkeiten nach dem Abschluss, sondern oftmals steht auch der eigene Kopf im Weg. Die Angst, sich in ein neues Umfeld zu geben, seine altbekannte Routine fallen zu lassen und sich etwas Neues zu wagen. Ein solches Jahr bietet eine Lösung zu diesem Problem. Es leitet und bietet die Möglichkeit Mut zu fassen.

Trotz all der Kritik um den verpflichtenden Dienst öffnet es Türen und lädt dazu ein, sich auszuprobieren und in Bereiche einen Blick zu werfen, die man vermeintlich sofort ausgeschlossen hätte, ginge es um die Zukunftsplanung.

Seit dem Jahr 2012 ist in Deutschland schrittweise die Schulreform, d.h. die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur von dreizehn auf zwölf Jahre umgesetzt worden. Die meisten Abiturientinnen und Abiturienten sind also im Durchschnitt gerade mal 18 Jahre alt, wenn sie das Gymnasium verlassen. Sie sind also noch jung und es ist durchaus möglich einen solchen Dienst einzuführen, ohne dass diese viel Zeit verlieren.

Zudem sind Jugendliche eine Hilfe in den Bereichen, in denen sie ihre Tätigkeit ausüben. Sie erlernen nicht nur Fähigkeiten, die sie später einmal verwenden können, sondern schätzen Berufe mehr. Es stärkt die Anerkennung verschiedener Tätigkeiten und lässt eine Gesellschaft zusammenwachsen. 

Meine persönliche Meinung mag umstritten sein, dennoch finde ich die Idee eines solchen Pflichtdienstes gut und würde mir wünschen, dass dieser umgesetzt wird. Ich sehe darin vor allem den Vorteil, dass junge Menschen dazu ermutigt werden, etwas füreinander, also für die Gesellschaft zu leisten. Der Sozialdienst stellt für mich eine Chance dar, mich unabhängig von meiner Zukunft auszuprobieren, uns untereinander zu vernetzen und vor allem aus der Komfortzone herauszutreten. Es würde mir das Gefühl geben, ich hätte mehr Zeit, mich zu entscheiden. Oftmals stellt es sich schwierig dar, sich für einen Werdegang zu entscheiden und dieses Pflichtjahr würde eventuell auch für mehr Akzeptanz seitens der Eltern sorgen. Es würde verdeutlichen, dass Selbstfindung wichtig ist und Absolvent*innen nicht sofort nach dem Abschluss wissen müssen, was sie einmal werden möchten. Es stützt den Gedankengang, dass man Zeit hat und nimmt eine oftmals vorhandene Hektik und den Druck, sich entscheiden zu müssen, heraus. Ich empfinde es nicht als Eingriff in unsere Freiheit, da wir uns innerhalb des Dienstes aussuchen können, wie wir diesen bestreiten und wo genau wir der Gesellschaft etwas zurückgeben können. Gerade der Aspekt des Wertschätzens steht für mich im Vordergrund.
Ich bin davon überzeugt, dass durch ein solches Pflichtjahr Einblicke ermöglicht werden, die ganze Denkweisen verändern. Selbst wenn man nach Beendigung dieses Dienstes froh ist, die Tätigkeit nicht mehr ausführen zu müssen, hat man dann gelernt, dass sich der eigene Weg in eine andere Richtung entwickeln wird.

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