Die Folgen unseres globalen Rohstoffhungers

Du liest diesen Artikel gerade auf deinem Smartphone oder deinem Laptop? Dies ist nur möglich, weil sich in den Geräten die verschiedensten metallischen Rohstoffe befinden. Auch unsere Autos und Windparks würden ohne sie nicht laufen. Unter den Folgen ihres Abbaus leiden jedoch Menschen im globalen Süden, denn dieser ist mit erheblichen Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen verbunden.

Klima / Neueste

von Mathilda K am 9. Mai 2022

Umweltverschmutzung durch Rückstände des Bauxit Abbaus. Guinea, Afrika
Photografie: Igor Grochev, Quelle: Shutterstock

Mist, schon wieder ist der Akkustand in so schnellen Sprüngen gesunken, dass Maik es nicht rechtzeitig geschafft hat, sein Handy neu aufzuladen. Zum Glück ist bald sein Geburtstag, an dem er ein neues Smartphone bekommt. Das Alte kann sich dann getrost zu den anderen Handyleichen in seiner Schreibtischschublade gesellen. Es ist erst zwei Jahre alt, aber die neuen Modelle sprießen nur so aus dem Boden und eine Reparatur ist wahrscheinlich eh zu teuer. Maik blickt auf und lauscht der Diskussion seiner Eltern. Sie überlegen schon lange, ein neues Auto zu kaufen und diesmal soll es eins mit Elektroantrieb werden. Die Jahre des Verbrennermotors seien eh gezählt und man müsse mit der Zeit gehen, meint seine Mutter. Außerdem sei es viel umweltfreundlicher. „Na hoffentlich kommen wir mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und Ladestationen langsam mal in die Gänge, sonst können wir gleich zu Fuß gehen.“ erwidert sein Vater daraufhin grummelnd.

Obwohl der Prozess nur langsam an Fahrt gewinnt, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Produktion von Elektroautos unerlässlich, um uns aus der Abhängigkeit fossiler Energieträger zu befreien. In einer Zukunft, in der zudem das Wort Digitalisierung großgeschrieben wird und in der immer mehr Prozesse automatisiert werden, wird der Bedarf an Batterien, Sensoren, Mikrochips, Displays und Leiterplatten zusätzlich stetig steigen.

Für die Herstellung dieser Zukunftstechnologien werden Rohstoffe mit ganz bestimmten Eigenschaften gebraucht. Oftmals gibt es nur einen metallischen Rohstoff, der die gewünschten Funktionen in der Dichte, Schwere, Elastizität oder Leitfähigkeit erfüllt. Zu diesen Rohstoffen gehören beispielsweise Kobalt, Kupfer, Lithium, Platin, Silber, Zinn und Indium, aber auch sogenannte seltene Erden, eine Gruppe von 17 Elementen, die hauptsächlich in China abgebaut werden. Außerdem benötigt man große Mengen an Eisenerz und Bauxit, die zu Stahl beziehungsweise Aluminium weiterverarbeitet werden.

Schon jetzt sind metallische Rohstoffe in unserem Alltag allgegenwärtig, ob in unseren Handyakkus, dem Wasserkocher, dem Laptop, dem Auto oder auch beim Bau von Gebäuden.

Es herrscht großer Konsens, dass der weltweite Bedarf an metallischen Rohstoffen in den nächsten Jahrzehnten stark steigen wird. Eingebaut in „grünen Technologien“ gelten sie als Hoffnungsträger bei der Bewältigung der Klimakrise. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet, dass sich die Nachfrage für Metalle bis 2060 im Vergleich zu 2011 verdreifachen wird! Ein besonders großer Anstieg wird bei Lithium gesehen, das vor allem in Autobatterien unerlässlich ist. „Laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamts könnte der globale Lithiumbedarf für Energiespeicher bis 2050 auf das Zwölffache der Weltjahresproduktion von 2013 ansteigen“.

Hierbei muss jedoch erwähnt werden, dass der globale Rohstoffverbrauch extrem ungleich verteilt ist. Länder mit hohem Bruttoinlandsprodukt (BIP) – also Industrienationen wie Deutschland, den USA und Großbritannien – überragen den globalen Durchschnitt um mehr als das Doppelte.

Deutschland ist der fünftgrößte Verbraucher metallischer Rohstoffe weltweit. Ein großer Teil der Rohstoffe – wie beispielsweise Stahl, Kupfer und Aluminium – fließt in unsere Automobilindustrie. 99% der bergbaulich gewonnenen Metalle kommen dabei aus dem Ausland und zwar vor allem aus rohstoffreichen Ländern des globalen Südens. Sie profitieren jedoch nicht von den Schätzen unter ihren Füßen, denn die Wertschöpfung findet zu großen Teilen in den Industrienationen statt. Zudem ist ihr Abbau mit erheblichen Risiken für Mensch und Umwelt verbunden.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Bauxit-Abbau in dem westafrikanischem Land Guinea in der Region Boké. Die Folgen wurden ausführlich in dem Bericht „What do weg get out of it“ der internationalen Nicht-Regierungsorganisation Human Rights Watch beschrieben, der auf mehr als 300 Interviews mit Betroffenen, Regierungsbeamten, Wissenschaftlern, zivilgesellschaftlichen Akteuren und vielen anderen Akteuren beruht.

Fatoumata lebt in einem kleinen Dorf im Westen Guineas. Früher, so erzählt es ihr Großvater immer, war ihr Dorf von einer grünen Oase umgeben. In den großen tropischen Laubwäldern sprühte es nur so vor Leben und wenn man Glück hatte, konnte man durch den Wald streifende westafrikanische Schimpansen beobachten. Wenn sich Fatoumata heute umschaut, dann ist von all dem wenig geblieben.

Als 1973 – nach der Entdeckung großer Bauxit Vorkommen im Westen Guineas – eine Mine in der Nähe der Stadt Sangaredi eröffnet wurde, verschlechterte sich das Leben der lokalen Bevölkerung stetig.

Für den Abbau des metallischen Rohstoffs müssen viele Erdschichten abgetragen werden. Die Compagnie des Bauxit de Guineé (CBG) nahm deshalb Fatoumatas Familie und zahlreichen anderen Landwirt*innen Ackerland weg, ohne sie zu entschädigen. Heute blickt sie auf karge, rot sandige Landschaften. Sie kann kaum glauben, dass die Gegend eine der artenreichsten weltweit gewesen sein soll.

Das kostbare Trinkwasser wurde mit der Zeit rotbraun, schlammig und somit ungenießbar. Irgendwann versiegten die Flüsse ganz. Die Wasserlöcher, die der Minenbetreiber CBG ihnen gebohrt hat, liefern heute ebenfalls kein Wasser mehr, da der Grundwasserspiegel durch den enormen Wasserverbrauch der Mine gesunken ist. Auf den Äckern, die Fatoumatas Familie geblieben sind, liegt nun eine dicke rote Staubschicht, die die Ernte vernichtet und die Atemwege versperrt.

Die Familie von Fatoumatas Tante hat es noch schlimmer getroffen. Sie lebt in dem Dorf Hamdallaye. Dort dürfen sie nicht mehr lange bleiben, da die CBG ihre Mine erweitern und Bahnlinien bauen möchte, um die Rohstoffe zum nächsten Hafen zu transportieren. Die CBG hat den Bewohner*innen von Hamdallaye neues Land zugewiesen, doch dies ist altes Minengebiet und für Landwirtschaft vollkommen unbrauchbar.  Bei Fatoumata können sie ihre Tante nicht aufnehmen, denn schon jetzt müssen Fatoumata und ihre Mutter weite Strecken zurücklegen, um an Wasser zu gelangen und die landwirtschaftlichen Erträge reichen kaum aus, um ihre Familie zu versorgen.

Was Fatoumata nicht weiß: Der Abbau und die Umwandlung von Bauxit zu Aluminium benötigen große Mengen an Energie, die durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe gewonnen wird. Allein die Umwandlung von Bauxit zu Aluminium und Eisen zu Stahl ist für knapp 10% der globalen CO2 Emissionen verantwortlich. Der Abbau metallischer Rohstoffe befeuert also auch die Klimakrise, die sich in Gestalt von anhaltenden Dürren auch in Fatoumatas Leben bemerkbar macht. Das kostbare Bauxit ist zu einem Fluch für Fatoumata und das Leben vieler anderer Menschen in Guinea geworden. *

Eisenbahnwaggons für den Bauxiterz-Transport. Guinea, Afrika, Fotografie von Igor Grochev, Bildquelle: Shutterstock

Fatoumata ist zwar eine fiktive Person, doch ihre Geschichte steht beispielhaft für das Schicksal vieler Personen, die unter dem Abbau metallischer Rohstoffe leiden, welcher insbesondere auf den Rohstoffhunger von Ländern wie Deutschland zurückzuführen ist. Das Leben von Maik und Fatoumata hängt enger zusammen, als man auf den ersten Blick vermutet, doch das vergessen wir schnell, wenn es darum geht, das alte Handy durch ein neues Modell zu ersetzen und bei einem kaputten Toaster anstatt zum Reparaturshop, zum Kaufhaus zu gehen.

Doch liegt die Verantwortung überhaupt bei uns Konsumenten? Was sind Maßnahmen, die die Politik umsetzen muss, um menschenrechtliche und ökologische Standards beim Abbau metallischer Rohstoffe zu gewährleisten? Und kann der Ausbau Erneuerbarer Energien in Anbetracht der beschriebenen Umwelt- und Klimaschäden überhaupt nachhaltig gestaltet werden?

*Fatoumata ist eine fiktive Person. Die Bauxit Mine, das Dorf Hamdallaye und die Auswirkungen des Bauxit Abbaus auf Mensch und Umwelt sind jedoch Realität und von Journalist*innen und Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) gut dokumentiert worden. Nachzulesen ist dies zum Beispiel in der Publikation „Landraub für deutsche Autos“ von der deutschen NRO Powershift oder in dem 2018 erschienen Bericht „What do weg get out of it“ von Human Rights Watch.

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